Herr Hanrei und Maria vom langen Markte. (Ein Pickelheringsspiel.) (Frei bearbeitet nach dem Altdeutschen.) Spieler. Herr Hanrei, ein Krämer, Peter, Hanrei's Sohn. Hans Pickelhering, Hanrei's Bedienter. Brautvater. Maria vom langen Markte. Soldat. Nachbar. Erster Aufzug. (Straße von Hanrei's Hause.) Hanrei. Holla, holla, mein treuer Diener Hans? Hans. Hier, hier alter Narr! Hanrei. Wie sagst du, Hans? Hans. Nichts habe ich gesagt, alter Herr? Hanrei. Höre Hans, mein treuer Hans, heute werde ich Hochzeit machen, so Gott will. Hans. Wie wollt Ihr das machen, mein Herr? Hanrei. Wie? Ich heirathe eine gar junge schöne Jungfrau, kennst Du nicht die schöne Maria vom langen Markte, das wird die Braut sein, mein lieber Hans. Hans (vor sich). Hoho, die kannte das Peterchen besser als Du, alter Narr. (Laut) Da werden wir das Haus wohl einmal ausfegen müssen? Hanrei. Freilich, Du mußt fleißig alles vorbereiten, die bunte Kuh muß geschlachtet werden, damit wollen wir uns fröhlich machen, geh flink, mein treuer Hans. (Hans ab.) Nun wird's nicht lange währen, so kommt meine junge Braut. O ich bin so alt nicht als man nach meinem Ansehn glaubt, ich habe nur etwas wild gelebt, siebenzig Jahre sind kein Alter, ich bin noch ein rascher Bursche. Mein Sohn Peter ist verschollen, ein Dutzend Söhne, wie die Kegel, sollen mich erfreuen, ich bin noch so frisch auf meinen Beinen, frisch auf, frisch auf. (Er springt ein wenig in die Höhe.) So kann ich noch springen. Meine liebe Braut soll so tugendhaft sein, ihr Vater hat mir geschworen, sie hätte nirgend ihres Gleichen gefunden! Das paßt sich recht, ein alter lustiger ausgefeimter Geselle, wie ich bin und ein unschuldiges Kind, das von nichts weiß, sie wird sehr glücklich werden. - Sieh da, sieh, da kommt meine allerliebste Braut mit dem lieben Brautvater. (Braut und Brautvater treten ein.) Vater. Glück zu, Glück zu, mein lieber alter Freund und Zechbruder, da bringe ich Dir Deine Braut, das arme unschuldige Ding, sie weiß noch nicht, was ihr bevorsteht. Hanrei. Habt Dank, seid willkommen. Meine schöne Maria, mein Zuckerplätzchen, seid von Herzen tausendmal willkommen, seid nur nicht bange an dem heutigen Tage, Ihr werdet auch nicht sterben. Gebt mir einen Kuß. Maria. Das schickt sich nicht für eine ehrliche Jungfrau, einen Mann zu küssen. Vater. Nun lieber alter Hanrei, Ihr seht, wie erschrecklich tugendhaft meine liebe Tochter ist, ich übergebe sie Euch, Ihr müßt das scheue wilde Füllen zähmen. Hanrei. Nun Maria, bald sind wir ein Leib und eine Seele; o Maria, seid doch vergnügter; ich sehe zwar alt aus, aber ich bin noch sehr frisch. Liebt Ihr mich auch? Maria. Warum nicht, mein herzlicher Bräutigam, das Leben wollte ich für Euch lassen, ich hoffe an Euch einen wackern Ehemann zu finden. Vater. Hört nur, wie brav sie spricht, ja das Kind hatte eine kluge Mutter, bei der ich wohl sieben Jahre wie Jakob zur Probe gedient habe, ehe sie mich geheirathet hat. Ihr habt's leichter, alter Hanrei! Hanrei. Das ist mein Glücksstern, meine Klugheit. Habt Ihr gehört, sie will das Leben für mich lassem, das liebe Kind. O mein Lämmchen, mein Schäfchen, wie freut es mich, da Du Dein Leben für mich lassen wilslt. Das hätte meine vorige Frau niemals für mich gethan. Nun sag mir doch, wenn ich früher sterbe als Du, willst Du wieder heirathen? Maria. Nimmermehr, lieber ginge ich gleich in ein Kloster, nein, dann will ich mich an Eurem Grabe todt weinen. Vater. Hört nur, hört, sie ist recht brav erzogen. Hanrei. Maria, Du bist ein rechter Engel, Dir zu Gefallen will ich so lange leben wie Du, ich schör es Dir, dafür gieb mir einen Kuß. Maria. Ich danke Euch sehr. (Sie wicht sich den Mund.) Hanrei. Ja dieser Kuß war süßer als Honig! He Hans, bringe Wein. Ein gutes volles halbes Achtel soll meiner Braut zu Ehren vertrunken werden. Hans. Hier ist Wein vom allerbesten, ich hab' ihn gekostet. Hanrei. Dieses Achtel ist leer. Hans. Ich muß das Maul voll haben, wenn ich Gesundheit trinken will. Juchhe: Es leben die jungen Verlobten, der alte Herr Hanrei und die junge Maria vom langen Markt? (Hanrei, Maria, Vater und Hans gehen in's Haus.) Peter (kommt). Das war eine lange Reise, hätte es nicht gedacht, daß ich mich so ablaufen sollte, um gelehrt zu werden. Das ist nun meines Vaters Haus, heißt auf lateinisch domus, der Vater pater, ich, der Sohn, filius, das weiß ich nun alles. Geld heißt pecunia, das weiß ich auch, aber ich habe keins, in den sechs Jahren habe ich alle meine Baarschaft zugesetzt, es wäre mir lieb, wenn ich den Vater, pater lebendig fände und wenn er mir Geld, pecuniam geben wollte. Aber wer kommt da aus dem Hause mir entgegen? Hans (kommt). Hochzeit! Hochzeit. Ho, ho, wen sehe ich da? Ist er's? Ist er's nicht? Sollte es nicht Musje Peter, des Herrn Sohn sein. Ja, er ist's wahrhaftig. O Herr Peter, Herr Peter hab' ich Euch doch in hundert Jahren nicht gesehen, seid willkommen. Peter. Salve, das heißt, sei mir gegrüßt, oho, noch der alte Hans, habe Dich lange nicht gesehen, aber hundert Jahre find es noch nicht, sondern sechs Jahre, drei Wochen und vier Tage. Hans. Das habt Ihr gut ausgerechnet, Ihr kommt wie gerufen, denn heute ist der Hochzeittag Eures jungen Vaters mit einer alten Jungfer. Peter. Ich bin erfreut, daß meinem Vater noch dergleichen in den Sinn kommt, sage ihm meine Ankunft. Hans. Es soll gleich geschehen, holla, holla (er pfeift). Mein Herr kommt eilig heraus. Hanrei. Was pfeist Du, mein treuer Hans? Hans. O Herr, unser Sohn ist zu Hause gekommen, das Peterchen und hat einen grausam runden Bart wie ein holländischer Käse. Hanrei. Eine Freude über die andre, zeige mir meinen lieben Sohn, den ich seit sechs Jahren nicht gesehen. Hans. Könnt Ihr denn nicht sehen, Herr, da steht er ja in dem Sommerkleide aus Flicklappen. Hanrei. O mein Sohn Peter, hast einen Bart, einen großen Bart Dir zugelegt. Das ist mein Sohn, mein einziger, mein liebster Sohn, ganz seiner Mutter Ebenbild, bis auf den Bart, sie hatte einen grauen Bart. Peter. Ich danke Euch, mein liebster Vater, Euch gesund wiederzusehen, ist meine höchste Freude, ich habe unterdessen viel Latein gelernt. Hanrei. Stehe auf, mein lieber Sohn, Du bist zur rechten Zeit gekommen, da ich jetzt Hochzeit mache, vielleicht kannst Du mir ein Pickelheringsspiel dazu machen. Peter. Comoediam Terentii, die Schauspiele des Terentius weiß ich auswendig, voran aber, indem ich Euch Glück und Heil zu dem festlichen Tage wünsche, erbitte ich mir von Euch Geld, um mich festlich zu kleiden. Hanrei. O mein Sohn, sag mir von keinem Gelde, wenn ich Dich nicht verfluchen soll, Deine Kleider sind noch gut genug. Peter. O liebster Vater, warum wollet Ihr so kargen, meine Kleider, wie Ihr sehet, sind nicht hochzeitlich, was wird Eure Braut sagen, die gewiß aus einem vornehmen Geschlechte entsprossen ist. Hanrei. Gewiß, Du sollst Dich verwundern, sie ist von Adel und heißt die Maria vom langen Markte. Peter. Was? Die Pelzmarie, die am langen Markte wohnte. O verfluchte Stunde, die mich hierher gebracht. Hanrei. Warum, mein Sohn, soll sie nicht am Markte wohnen? Peter. O warum habt Ihr kein anderes Mädchen erwählt. So hat meine Liebschaft meinem Vater zu Theil werden müssen, sie könnte ja ein Kind von mir haben, wen es Gottes Wille gewesen wäre. Hanrei. Was, wie, Du ehrloser Schelm, pfuigehe mir aus den Augen, meine fromme, meine ehrliche Maria zu beschimpfen, weil Du mir keine Frau gönnst, weil Du Deine Erbschaft nicht mit einem Duzzend anderer Kinder theilen magst. Schelm, hab' ich's gerathen, daher weht der Wind: aber Dir zum Possen will ich mir zwei Dutzend Kinder anschaffen. Fort, mir aus den Augen. Hans. Aber Peter, wie habt Ihr sechs Jahr studirt und seid noch so dumm, ihm die Wahrheit gerade in's Gesicht zu sagen. Hanrei. Die Wahrheit, Schurke, die Wahrheit, Euch beide verbundene Schelme jage ich fort, laßt Euch nie vor meinem Hause oder gar darin sehen, sonst seid Ihr Narren, die Schläge haben wollen. (Er jagt sie mit Schlägen fort.) Meine Braut, meine ehrliche Braut ist so ehrlich, hat mich so greulich lieb, daß ich's kaum glauben kann, gleich will ich sie küssen. (Ab in's Haus.) (Peter und Hans kommen wieder.) Peter. Tausend Dank für Deine Treue, mein guter Hans, mein ehrlicher Hans, da habe ich Dich um Deinen Dienst gebracht und ich selbst bin nun ein Landstreicher, ein verlorner Sohn, filius. Hans. Mit mir hat's keine Noth, mich braucht er so nothwendig wie seinen Krückstock, ohne mich kommt er nicht fort, wenn ich nicht von selbst komme, giebt er mir noch gute Worte obenein. Ihr sollt nur sehn (Klopft an das Haus). He, alter Herr, aufgemacht, schnell aufgemacht. Hanrei (im Hause). Bist du draußen, mein Hans, mein getreuer Hans, komm herein und feg die Spinneweben ab. (Läßt ihn herein.) Peter. Nun bin ich ganz allein, solus, das Haus, domus, der Tisch, mensa, ist mir vom Vater, pater, verschlossen, da werde ich vor den Häusern singen müssen, und was werden die Leute sagen, wenn sie einen Gelehrten mit einem langen Bart, wie einen Kurrendeknaben herumlaufen sehen. (Sing): Mein Mann ist nächten voll heimkommen, Da hab' ich seinen Hut genommen, Wovon er noch nicht wissen that, Darum ist er ganz ungemuth. Soldat (kommt). Bravo, Bruder Peter, hast noch nicht das Singen verlernt und bist schon ein alter Kerl. Peter. Wer seid Ihr, habt ja das Antlitz von Hieben so zerkerbt, als wären zwei Gesichter daraus geschnitten. Soldat. Ja freilich, Schwartenmagen hat sich was versucht, seit er die Bibel ins Feuer geschmissen und die Kugelbüchse in den Arm genommen hat. Peter. Schwartenmagen, liebster Junge, laß Dich küssen, ei ich hab' viel gelernt, der Soldat heißt miles, der Vater pater, aber der Vater, pater, jagt den Sohn, filium, zum Hause hinaus, wenn der Soldat, miles, nicht helfen kann. Soldat. Laßt Eure viele lateinische Gelehrsamkeit im Kopfe ruhen und erzählt mir, was Euch fehlt. Peter. Denkt Schwartenmagen, der Vater will meine alte Liebste, die Pelzmarie, heirathen und jagt mich ohne Zehrpfennig in die weite Welt. Soldat. Der alte Nußknacker! Geht, mein guter Peter, Euch soll geholfen werden, ich will sie ihm schon verleiden. Peter. Ach da kommt sie zu meines Vaters Hause heraus, ich mag sie nicht wiedersehen. (Ab.) Maria (tritt heraus). Man sagt im Sprüchwort, eine harte Nuß, ein stumpfer Zahn, ein junges Weib, ein alter Mann, zusammen sich nicht reimen. Sprüchwort, wahr Wort, der alte Narr ist nach dem Frühstück eingeschlafen und ich soll stille sein und mich langweilen. - Je, wer ist doch der Soldat, ich muß ihn kennen. Soldat. Maria, Herzensmaria, kennst Du mich noch, lang nicht gesehen, lang nicht mit einander fröhlich gewesen, auch lang nicht die Laute geschlagen. Maria. Ich kenne Euch nicht, aber Ihr seid mir lieber als mein alter Bräutigam, Ihr scheint ein wackrer Bursche. Soldat. Wer ist denn Euer Bräutigam? Maria. Ach der alte Herr Hanrei, der verfluchte Wucherer, mein Vater hat mich dazu beredet, er hat mir all sein Geld vermacht. Soldat. O der alte Geizteufel, den wollen wir bald todt machen, ich kann nicht von Dir lassen, Du nicht von mir und der Alte giebt das Geld, was mir im Kriege ganz flüchtig geworden ist, das Geld hat keine rechte Kurage. Maria. Sei zufrieden, das Geld hat sich bei'm Alten verkrochen, ich will alles für Dich bezahlen. (Er küßt sie.) Soldat. Ich gehe für Dich durch's Feuer, steige in stockfinstrer Nacht eine glatte Mauer herauf. Maria. Ach wie küßt Du Dich so anders als der Alte! Soldat. Mein Herz steht in Flammen, ich muß den Marsch singen: Falala, la Falala, Komm tanz mit mir. Maria. Falala. (Sie tanzen.) (Der Alte tritt zum Hause heraus, sieht sie verwundert an.) Hanrei. Ach, ach, ach, ach, falalala. Was will der Kerl mit meiner Braut? (Er schlägt mit seiner Krücke zwischen beide) Falalala, Falala. Pfui, Du Kerl, die Nase will ich Dir abschneiden. (Beide erschrecken.) Falalala, was zum Teufel Marie, dazu hat Dich der Vater nicht in mein Haus geführt, was sollen die Leute sagen. Geh in mein Haus, mein Mariechen, Du weinst jetzt die bittern Thränen, weil ich Dich geschlagen habe, aber Du hattest Schuld, weil Du mit einem fremden Manne tanztest, Falalala. Es ärgert mich, daß der greuliche Kerl Dir bei'm Umdrehen einen Kuß gab. Du bist mein Lämmchen, meine nicht, dem greulichen Kerl aber will ich die Nase, - gleich will sie ihm abschneiden. (Zieht sein Messer.) Soldat. Bei'm Element, willst du Nasen abschneiden, so nehme ich Dir Dein rostig Messer und will Dir Deine vorerst abschneiden, und will sie Dir in Deine Tasche stecken, daß Du an Deinem Gelde riechen kannst. Hanrei (läuft zurück). Maria, das muß der Teufel selbst sein, er will mir Die Nase mit meinem eigenen Messer abschneiden. Maria. O wie bin ich erschrocken, o herzlicher Bräutigam, wie übel habt ihr's gemacht, der mit mir tanzte und den Ihr geschlagen, das ist unser Schwager. Auf unsre Hochzeit hat er kommen wollen, wie übel habt Ihr Ihm willkommen geheißen. Schwager, der ist mein Bräutigam, Euer künftiger Schwager. Soldat. Er mag des Teufels Schwager sein, ich habe, wenn ich sie zusammen rechne, wohl hundert Schwäger, aber so hat mich noch keiner bewillkommt. Schade ist's um Euch, Schwägerin, daß Ihr solchen bösen Mann bekommt, bei dem Ihr keinen Augenblick Eures Lebens sicher seid. Hanrei. O Herr Schwager, vergebt mir meine Heftigkeit wegen meiner Unwissenheit, ich wußte nicht, daß Ihr unser lieber Schwager seid! Allerliebster Herr Schwager, seid doch fröhlich und guter Dinge, seid doch freundlich und willkommen. Soldat. Wohlan, wegen der Frau Schwägerin will ich's Euch vergeben, daß Ihr mich so greulich geschlagen habt, ich will's vergessen. Hanrei. So mein lieber Schwager, recht so, wollen als gute Schwäger leben, kommt in mein Haus, wollen eine Mahlzeit mit einander halten, will es Euch vergelten, daß ich Euch so unschuldig geprügelt habe, vergelten will ich's reichlich, denn Ihr sollt heute mit uns essen, und ich habe viel eingeschlachtet zum heutigen Tage. Soldat. Obgleich ich Euch alles vergebe, so kann ich's dennoch nicht vergessen; mit Euch in's Haus zu gehen, habe ich ein Bedenken, denn wenn ich im Hause wäre, könntet Ihr wohl auf's neue mit Eurem Krückstock auf mich einhauen, nein, ich will mich zurückziehem- Hanrei. Liebster Schwager, ich will den Stock bei Seite stellen, will Euch wahrlich nicht schlagen; frommer Schwager, ehrlicher Schwager, sanfter Schwager, kommt in mein Haus. Soldat. Nein, nein, der Gebrannte scheut's Feuer, die Schläge schmerzen mich noch sehr, ich glaube fast, daß Ihr mir die Kreuzwirbel durchgehauen habt. Liebt meine Frau Schwägerin, seid ihr treu, denn ich höre in der Stadt, Ihr wäret bisher ein lockerer Vogel, eine muntere Fliege gewesen und damit Gott befohlen, ich gehe in mein Wirthshaus (will gehen). Hanrei. Liebe Maria, lauf nach, halt ihn, bitt ihn recht herzlich, daß er bei uns bleibt. Maria. Lieber Schwager, vergebtg meinem lieben Bräutigam die wilde Hitze, er hat ein heißes Blut und einen grimmigen Muth, er hat Euch nicht gekannt, bleibt bei uns, wenn Ihr einmal hitzig gegen ihn werdet, soll er es auch nicht übel nehmen. Hanrei. Ja Schwager, ich will auch einen Pumps von Euch für lieb nehmen. Soldat. Nun Frau Schwägerin, weil Ihr so sehr bittet, will ich Euretwegen bleiben. Hanrei. Mein großmüthiger Schwäger, wie hoch bin ich erfreut, vergeßt alles und bleibt allezeit mein Schwäger. Soldat. Wir wollen alles bei einem Glase Wein vergeben und vergessen. Hanrei. Kommt, ich will Euch den Weg zeigen, erlaubt, daß ich vorangehe, Maria, führ' den Herrn Schwager. (Indem sie in's Haus gehen, küßt der Soldat die Maria; sieht sich der Alte um, so sehen sie einander gravitätisch an, das wiederholen sie.) Zweiter Aufzug. (Schauplatz: Zimmer in Hanrei's Hause). Hanrei (allein). Hum, hum, es ist doch ein rechter Ärger mit dem todtkranken Peter, der den Herrn Pfarrer begehrt hat, nun kann er mich erst spät Abends trauen, was doch der dumme Peter angefangen hat, daß er so todtkrank geworden. Meinetwegen hätte er morgen sterben können, wenn er nur heute nicht den Pfarrer hätte zu sich rufen lassen. Und was mir die Nachbaren in die Ohren sagen, hum, hum, daß meine Frau den Schwager hinter meinem Rücken küßt, hum, hum, kann es doch nicht glauben, hum, hum, und daß es mein Schwager nicht sei, sondern der junge Schwartenmagen. Es ist alles erlogen, meine Braut hat mich greulich lieb, sie ist ein tugendhaftes Mädchen, das beneiden sie mir. Hum, hum, aber weil es doch die Nachbarn sagen, will ich sie einmal auf die Probe stellen und das Gerücht zu Schanden machen. Holla, mein treuer Hans komm zu mir. Hans. Hier bin ich Herr, was ist Euer Begehren. Hanrei. Komm her, mein Hans, gieb wohl Acht, was ich Dir sage, ich muß ausreisen und komme in acht Tagen nicht wieder, bis dahin bleibt noch meine Hochzeit ausgesetzt, bewahre mein Haus, schließe Abends die Thüre gut zu, leg den Schlüssel unter das Kopfkissen, lasse niemand in's Haus, auch den Schwager nicht. Hans. Will den Schwager nicht einlassen. Aber Herr, ein Trinkgeld muß ich voraus haben bei solcher beschwerlichen Aufsicht, sonst bleibe ich nicht wach. Hanrei. Freilich mein Hans, daran habe ich lange schon gedacht, da habe ich einen Schatz, aber ich rathe Dir, daß Du Dich nicht vollsäufst und läßt mir den Schwager ein. Trag den kleinen Schatz nicht zu leichtfertigen Weibern, sie möchten ihn Dir aus der Tasche stehlen. (Giebt ihm ein Packet.) Hans. Nun bin ich ein gemachter Kerl, hier ist ein Dukaten, oder ein Edelstein innen. Uh, was greulich viel Papiere sind darum gewickelt. Daß dich, potz Schlapperment, ist das der große Schatz? Nicht vollsaufen, nicht mit Frauen verschlampen? Hanrei. Nun mein treuer Hans, ist es nicht genug, einen alten Heller so mildiglich zu verzehren, hierbei will ich es noch nicht bleiben lassen, sondern wenn ich wieder heim komme, will ich Dir noch einen solchen Schatz geben; sofern ich alles in Ordnung finde. Hüt' wohl das Haus, daß der Schwager nicht hineinkommt. (Ab.) Hans. Geh du alter Hanrei, geh du alter Schelm (macht ihm nach) geh nicht zu losen Weibern, sauf dich nicht voll. Herr, der Schwager soll mir mehr bezahlen als du. Holla, Holla, Fräulein, wo seid ihr? Fröhliche neue Zeitung. Maria. Was giebt's, mein lieber Pickelhering, bringst Du mir fröhliche Zeitung, so geb ich Dir lustiges Geld. Hans. Fräulein, der alte Geck ist ausgereiset, wird erst in acht Tagen wiederkommen, so lange ist die Hochzeit ausgesetzt. Ist das gute Zeitung? Maria. Acht Tage will er fortbleiben, das ist gute Zeitung. Aber sag, was hat er Dir befohlen? Hans. Erst Trinkgeld her. Maria. Da hast Du eine Handvoll Groschen, die habe ich eben aus seiner alten Sparbüchse geholt. Hans. Frau, er hat mir das Haus befohlen und mir gesagt, ich sollte den Schlüssel unter mein Kopfkissen legen, daß der Schwager nicht in's Haus käme. Maria. Ja, ja, das schadet nichts, Du mußt ihn doch herein lassen. Hans. Kein Schwager ohne Geld. Maria. Da hast Du ein Goldstück. Hans. Nun hört, da klopft er schon an der Thür. Wer da? Soldat (draußen). Der Schwager. Hans. Mein Alter ist ausgereist und hat mir befohlen, die Thüre zuzuhalten, was gebt Ihr mir? Soldat. Einen blanken Thaler, da hast Du ihn! Hans. Kommt ein, das Fräulein hat Euch viel zu erzählen. Soldat (tritt ein). Glück zu, meine schöne Maria. Victoria, der Alte ist aus. Maria. Heute wollen wir uns lustig machen, schmausen und singen. Soldat. Nun das giebt einmal einen lustigen Tag. Juchhei, ich wollte, der Alte bräch sich den Hals unterwegs. Maria. Ach wenn er doch nimmermehr wiederkäme. Hans. O weh, o weh, da kommt der Alte schon wieder, was soll aus uns werden. (Der Alte klopft.) Maria. Was soll aus mir werden, er wird mich verstoßen. Soldat. Er läßt mich hängen. (Der Alte klopft wieder.) Hans. Wer Teufel ist da vor der Thüre? Unser Herr ist nicht zu Hause. Und er hat mir strengen Befehl gegeben, niemand einzulassen. Maria. Wir sind verloren. Hans. Sorgt nur für Euch, ich will ihn noch lange verxiren. (Zum Alten, der wieder klopft.) Nein, nein, ich lasse Euch nicht herein, ich kenne den schelmischen Schwager wohl, aber der Herr ist nicht zu Hause und da kommt niemand zur Jungfer Braut. Geht oder ich schlage durch's Loch auf Euren Hut. Hanrei (draußen). Höre nur, Hans, da ich der Schwager bin, sag es nur dem Fräulein, die wird mich schon einlassen. Hans. Du Schelm, geh nur, das Fräulein will Dich nicht einlassen, so lange bis ihr Bräutigam nach Hause kommt, das gäbe nur den Leuten zu reden; sie hat mir gesagt, wenn der Schwager käme, sollte ich ihn mit Wasser begießen. Hanrei. Ist das wahr? Hans (gießt Wasser durch das Fenster, über der Thüre). Hast Du's gefühlt, Herr Schwager. Hanrei. Gakerment, das ist genug, ich habe keinen trocknen Faden am Leibe. - Mein Hans, mein treuer Hans, gieß nicht mehr, kennst du mich jetzt an meiner wahren Stimme, ich bin der Herr und Du bist mein getreuer Knecht. O getreu Volk, was ich in meinem Haufe habe. O meine treue Braut, die Nachbarn lügen alle. Hans, mach mir auf, ich bekenne Dir, daß ich der Schwager nicht bin. Hans. O mein lieber Herr', seid Ihr's? (Der Soldat hat sich unterdessen in einem Winkel versteckt, Hans macht die Thüre auf.) Hanrei (kommt). O mein treuer Hans, Du bist ein treuer Diener, ich habe Dich über wenig treu erfunden, ich will Dich über mehr setzen. Aber wo ist meine liebe Maria? Hans. O mein lieber Herr, was sollte sie thun? Sie hat sich auch so sehr, so gar wundersehr gegrämet, ja gegrämet hat sie sich, daß Ihr seid ausgereiset und habt ihr nichts gesagt. Geht, da kommt sie schon. Maria. Ach mein herzlieber Bräutigam, warum habt Ihr mir nichts gesagt, daß Ihr ausreisen wolltet, ich habe mich so sehr gegrämt, daß ich vor Angst und Gram nicht wußte, was ich anfangen sollte. Hanrei. Meine liebe Braut, ich bitte Euch, grämet Euch nicht so sehr, ich bin ja bald wiedergekommen. (Er küßt sie.) Ich will Euch zum Troste recht oft küssen. (Sie wischt sich den Mund.) Ach ein Nössel Wein will ich bringen lassen. O was habe ich für eine treue Braut. Maria. Mein lieber Bräutigam, ich fürchte doch, Ihr werdet böse auf mich werden, Ihr lobt mich mit Unrecht. Hanrei. Nun mein herzliebes Mariechen, was ist es, ich will nicht böse werden. Maria. Lieber Mann, in meinem Gram habe ich das Leinenzeug Eurer vorigen seligen Frau besehen und da habe ich gefunden, daß die Mäuse in einem Tischtuche ein großes Loch gefressen hatten. Hanrei. Nein Mariechen, darum werde ich nicht auf Dich böse. sondern auf die Mäuse und auf den Schlingel, den Hans, daß er keine Mäusefalle aufgestellt hat, dafür soll er auch heute den versprochenen Heller nicht bekommen. Laßt doch sehen. (Maria holt das Tischtuch und spannt es mit Hans gegen die Thüre, der Soldat schleicht sich aus dem Winkel, wo er versteckt war, hinter dem Tischtuche zur Thür hinaus.) Hanrei. O die verfluchten Mäuse, sie hätten mich arm gefressen, wenn ich keine Frau nähme. O welche häusliche Frau werde ich an Dir haben, Maria, da Du gleich in den ersten Stunden für meine Wirthschaft sorgst. O ich habe Dich so lieb. Maria. O Ihr seid so gut, ich habe Euch so lieb. Hanrei. Hans, hol uns ein Nössel Wein in's untre Zimmer, geht nur voran, ich muß mir eine warme Binde um meinen Leib leben, es ist mir nicht ganz recht. Maria. Wenn Ihr krank würdet, stürb' ich gleich. Hanrei. Habt keine Sorge, ich habe alle Tage ein paar Mal so meine Noth, das kommt vom wilden Leben. (Maria und Hans ab.) Bin doch keinen Augenblick sicher mit meiner Gesundheit, aber ich hoffe, die Nähe meiner jungen Frau soll mich ganz verjüngen, daß ich stark werde wie ein Löwe. Wer klopft da? (Der Nachbar tritt herein.) Nachbar. Guten Tag, guten Tag, Herr Nachbar. Hanrei. Dank, Herr Nachbar. Nachbar. Ihr solltet doch Euren kranken Sohn besuchen, wer weiß, ob er davon kommt, Ihr habt ihm groß Leid zugefügt, Ihr habt Unrecht. Hanrei. Unrecht? Was, was? Ich hab' ihn zum Teufel gejagt, weil er von meiner Braut gelogen, und die ist so ehrlich und fromm wie ein Lamm. Sollte ich das von ihm leiden. Nachbar. Hört Nachbar, mit Eurer Braut ist's nicht richtig, ich wollte es Euch ebensagen. Kaum waret ihr weg, so ist der Soldat in's Haus gegangen und kaum waret Ihr wieder zurück, so schlich er davon wie die Katze vom Taubenschlage. Hanrei. Was eben? Ihr habt Euch versehen. Nachbar. Meine Frau hat's doch auch gesehen, als er heraus war, lachte er und lief eilig fort. Ich glaube, Nachbar, sie denkt sich mit Eurem alten Gelde einen jungen Mann zu erheiraten. Hanrei. Das ist nicht möglich, sie sprach noch eben, wenn ich krank wäre, möchte sie schon sterben. Nachbar. Macht einmal den Versuch und stellt Euch todt, ich will sagen, Ihr wäret an einem Glase Schnaps erstickt, Ihr werdet schon sehen, was sie zu Eurem Tode sagt. Hanrei. Ach meine liebe Maria möchte zu sehr erschrecken; erst bestellet Ihr ein Schlagwasser, damit sie aus der Ohnmacht erwecken kann. Nachbar (vor sich). Ohnmacht fallen, alter Filzhut, das wäret Ihr noch werth. (Laut) Ich hab' ein gut Schlagwasser bei mir, seid ohne Sorge wenn sie in Ohnmacht fällt. Hanrei. Ein närrischer Einfall, aber darum gefällt er mir, ich hab' mein Lebtage so viel wilde Streiche gemacht, kann auch diesen wohl noch ausführen. Nun seht, hier auf dieses Ruhebett will ich mich legen. Liege ich recht wie ein Todter. Nachbar. Die Augen müßt Ihr noch zumachen. Hanrei. Aber, da kann ich nichts sehen. Nachbar. Ihr werdet genug zu hören bekommen. (Hanrei legt sich.) Ach Jungfer Braut, Fräulein Maria vom langen Markt, Hans, kommt herein, der Herr erstickt, er hat sich im Branntewein übernommen, kommt doch schnell, ob Ihr ihm helfen könnt. Maria. Ist er todt? Wahrhaftig! Nun das hab' ich immer geglaubt, er werde nur noch ein Paar Tage leben. Sieh da, da liegt die alte Heuschrecke und dachte heut noch Hochzeit zu halten. Ein Glück ist's, daß er mir nach der Verlöbniß sein Geld verschrieben hat, so kann ich mir heute gleich meinen lieben Schwartenmagen, seinen vermeinten Schwager, antrauen lassen. Nun der alte Narr, das hätte er wohl nicht gedacht, daß er sein Haus für einen braven Soldaten eingerichtet hat. Wenn nur der Hans hier wäre. Nachbar. Warum? Maria. Daß er mir meinen Liebsten aus dem Wirthshause holte, der arme Kerl hat sich vorher hinter einem Tischtuche aus dem Hause schleichen müssen und nun führ ich ihn als Herren hier zurück. Nachbar. Gebt mir das Geld her zu dem Begräbnisse des Alten. Maria. Keinen Pfennig, mag er im Nasendrücker abgeholt werden. (Ab.) Nachbar. Wie gefällt Euch dies, mein lieber Nachbar? Hanrei. Ja mein guter Nachbar, was dünkt Euch? Nimmermehr hätte ich dem stillen sanften Kinde so etwas zugetrauet. Ich kann es in meinem Leben nicht vergessen - nein, nun heirathe ich nimmermehr wieder. Nachbar. Und vergeßt nicht Euren Sohn. Hanrei. Ich muß weinen, daß ich den armen Jungen um solch ein verfluchtes Mädchen so habe hinsterben lassen. Nachbar. Seid nur ruhig, es wird nicht so gefährlich mit ihm sein, wer weiß, er hat auch wohl Euer väterliches Herz auf die Probe stellen wollen, aber jetzt könntet Ihr ihn auf die Probe stellen, ich will ihm sagen, Ihr wäret gestorben. Hanrei. Recht so, das ist ein rechter Einfall von Euch gewesen mit dem Sterben. Ich wollte, Ihr hättet ihn nicht gehabt, so könnte ich noch die schöne Maria herzen. (Nachbar ab.) Mir wird recht bange, nun ich hier allein wie ein Todter liegen soll; wie die Würmer nagen, hu und da läuft eine Maus quer über. - Und da klopft einer, es kömmt einer, gewiß mein Sohn. (Er legt sich.) Hans (sieht den Alten liegen.) So ist's doch wahr, was die Leute sagen, der Alte hat sich so vorm Tod verkrochen, nun hat er ihn doch erwischt. (Er schlägt ihm auf's Maul.) Ich wollte wahrhaftig weinen, wenn der Kerl nicht so erzlächerlich mit seinem Hanreisgesichte aussähe. Du alter Schelm, bist schon so steif wie eine Puppe. Nun wird's hier Hochzeit geben mit dem Schwager, da wird's Gold regnen, Du alter Knauser hast mir einen alten Heller verehrt. Was wolltest Du auch noch Hochzeit machen, konntest das Geigen nicht mehr vertragen. Will doch einmal zählen, wie viel mir die beiden geschenkt haben; Alter, Du mußt als Zahlbrett dienen. (Er setzt sich dem Alten auf's Gesicht und zählt auf seinem Leibe.) Au weh, au weh, es spukt, der Alte hat mich gebissen, es ist ein blutsaugendes Gespenst. (Läßt sein Geld liegen und läuft davon.) Hanrei (nimmt das Geld zusammen.) Das Geld hätt ich wieder, es war doch von meinem sauer Ersparten. Halt, da kommt wieder einer. (Legt sich, Nachbar und Peter treten herein.) Nachbar. Ja mein guter Peter, Euer Vater war nicht zu retten, es thut mir Leid, daß ich Euch die traurige Botschaft bringen muß.' Ein Schnaps war Eures Vaters Tod. Peter. O nicht doch, Gott behüte, daß dem also, er läßt sich wohl noch retten, wie mich die Schreckenspost vom Krankenbette aufgerissen hat. O mein armer Vater (er kniet neben ihm) o der verfluchte Branntewein. Wie mag es ihn geschmerzt haben, so aus seiner Freude gerissen zu werden und doch möchte ich sagen, daß ihm der Tod viel Leiden erspart hat. O mein Vater, wie glücklich bist Du, daß Du ihren Jubel nicht gesehen, als sie den Soldaten fand. Nachbar. Denkt Euch, sie will nichts zu seinem Begräbnisse hergeben. Peter. Armer Vater, Du hast ihr alles geschenkt, ich habe nur wenige Bücher, libri, aber ich will sie gern verkaufen, Dir, meinem Vater ein würdiges Begräbniß zu schaffen. Wie kann ich Dir je wiedergeben, was ich Dir danke. (Hanrei erhebt sich und legt die Hand auf seinen Sohn.) Hanrei. O mein Sohn, Deine Liebe hat mich aus dem Todesschlafe erweckt, Du bist Fleisch von meinem Fleisch und Bein von meinem Bein, Du sollst alles Vermögen erben, Du allein hast mich lieb auf Erden und dieser brave Nachbar, den Gott segne. Du sollst heirathen und sollst mich pflegen bis an mein Ende. Dritter Aufzug. (Straße vor Hanrei's Haus. Ein großer Hochzeitszug, voran Hans mit einer großen Trommel, dann Maria und der Soldat, umgeben von vielen Leuten mit Fackeln, weil es schon später Abend ist). Hans. Ich sage Euch, daß ich eine rechte Angst im Magen spüre, hier am Hause des Alten, er spukt, ich sag Euch, er hat mich gebissen. Maria. Sei kein Narr, trommle nur ordentlich, der alte Narr wird nicht aufwachen, ich habe befohlen, sie sollen ihn im Nasendrücker gleich abholen. Soldat. Potz Granaten, habe so viel tausend Todte gesehen, es ist noch keiner lebendig geworden, wenn ich nur wüßte, wo der Peter geblieben. Hans. Ich weiß nicht, mir wird so eigen zu Muthe, als klebte ich hier an's Pflaster fest, es rührt sich was im Hause. Maria. Singt doch, Ihr Leute. Chor. Ach weh, ach weh, Du schöne junge Braut, Deine guten Tage sind nun alle aus. Hanrei (kommt mit dem Nachbar und Peter aus der Thüre). Habt Ihr mich nicht zur Hochzeit eingeladen? Maria. Weh mir, der Alte hat im Grab noch keine Ruh. Oder er ist wohl nicht einmal todt. Soldat. Mit Geistern hab ich nichts zu schaffen. (Schlägt ein Kreuz und läuft.) Hans. Der Soldat hat auch vom Hasenherz gefressen. An seiner dünnen Stimme höre ich gleich, daß es kein Gespenst ist. Hanrei. Siehst Du Maria, Du nichtswürdige Braut, alle verlassen Dich, soll ich Dich nicht an den Pranger stellen, Dich mit Ruthen streichen lassen? Maria. Herzlieber Bräutigam, sprich doch nicht so wunderlich. Warum sollte ich mich allein anführen lassen. Es war mein Ernst gar nicht, als ich auf Euch schimpfte, als ich den Soldaten heirathen wollte. Ihr wolltet mich mit Eurem Tode erschrecken, aber ich sah den Schelm zwischen Euren Augen blinzeln und so wollte ich Euch auch erschrecken. Hanrei. Du lügst, Maria, aber ich muß es Dir doch glauben, Du bist so schön und ich habe Dich so lieb. Maria. Nun sieh, war es nicht ein recht lustiger Spaß, ach wie küsse ich Dich so gern und wie wollen wir nach aller Unruhe süß schlafen. Hanrei. Nun Maria, wenn es Dein Ernst mit dem Soldaten nicht war, so war es auch nicht mein Ernst mit dem Sterben. Wären nur die Leute nicht mit den Fackeln davon gelaufen, ich kann keinen Schritt weit sehen, wir wollten gleich mit einander zur Kirche gehen und uns kopuliren lassen. Maria. Laß nur die Leute gehen, sie haben doch nichts gethan, als Dir Lügen in den Kopf zu setzen. Hanrei. Es ist wahr, ich bin ein leichtgläubiger Esel gewesen, aber künftig will ich auch nichts mehr glauben, als was Ihr mir versichert. Nachbar. Hört Nachbar, das Ihr solch ein Narr wäret, hätte ich doch nimmermehr geglaubt. (Ab.) Peter. Liebster Vater, Euer Wille soll geschehn, ich sehe ein, daß es Euch gut ist, alles zu glauben, was Euch die Maria sagt, so habt Ihr weniger Schimpf und mehr Ruhe in eurem Alter. Maria. Ach Gott, das ist ja Peter's Stimme, die ich so lange nicht gehört habe. Hanrei. Ja das ist mein Sohn Peter. Nun Peter, es freut mich herzlich, daß Du einsiehst, wie viel klüger meine liebe Maria als wir alle sind, es war ihr Ernst gar nicht mit dem Soldaten. Wären nur die Leute mit den Fackeln zu errufen wir wollten gleich zur Kirche gehen. He Hans! Hans. Hier alter Herr. Maria. Ich will keine Fackeln, ich will keine Hochzeitleute, ich will ganz vertraulich mit Dir zur Kirche gehen. Hanrei. O seliger Abend, o selige Nacht. (Indem er voller Freude Maria ergreifen will, um sie zur Kirche zu führen, so faßt er Hans, der noch immer voll Verwunderung dasteht, Maria aber faßt Peter's Hand, der in Demuth mitgeht, die Musik schmettert laut, der alte Hanrei und Maria liebkosen ihren vermeinten Geliebten, wobei Hans sich in seinen Bewegungen lustiglich wie Maria anstellt, Peter aber betrüblich alles geschehen läßt, so verschwindet der Zug und der Soldat tritt auf.) Soldat. Wenn ich nur immer Zeit hätte, so sollte es mir nicht an Kourage fehlen, ich wollte mich jetzt mit allen Geistern aus Himmel und Hölle herumbalgen. Potz Marter, wo mögen sie alle geblieben sein, es ist stockfinster, ei, da fall ich ja über eine Fackel. Will sie doch anzünden, denn bei Licht schäme ich mich immer viel mehr, davon zu laufen, als wenn es keiner sieht. (Er schlägt Feuer an.) Wenn ich so Feuer schlage, Feuer, Feuer, da packt mich rechter wilder Heldenmuth, ich möchte alle Geister mit den Köpfen zusammenschlagen, daß es Funken gäbe. (Der alte Hanrei kommt mit Hans aus der Kirche zurück, ihnen folgt Peter mit Maria.) Hanrei. Es soll uns denn nichts mehr scheiden als der Tod, geliebte Frau. Hans (mit verstellter Stimme). Ach, geliebter Mann, sprich nicht so ohne alle Umstände von dem Tode, niemand soll den Teufel an die Wand malen. Soldat, Halt, Du alter Schelm, Du willst einem braven Soldaten seine Braut verführen, der Schimpf muß mit Blut ausgewaschen werden, zieh oder ich stoße Dich nieder wie einen Schneemann im Thauwetter. Hanrei. Maria, liebe Maria, stell Dich vor, der Kerl will mich erstechen. Hans (mit verstellter Stimme). Sei Du mein Schild, geliebter Mann, stirb nur dies einz'gemail für mich, der Mann soll des Weibes Schutz sein. Hanrei. Ach wie hast Du mich betrogen, Du wolltest so gern für mich sterben, wie wird's mir kalt. Herr Soldat, allerliebster Herr Soldat, nehme Er meine Frau, aber laß Er mir mein Leben. Was hilft mir nun die Kopulation. Soldat. Was, Deine Frau? Wo ist sie? So lange Du lebst, wird sie doch nicht mein. Bete Dein Vater unser, Du mußt sterben. Peter (springt dem Soldaten in den Arm). Bist Du ein Narr, Deinen alten Degen schmeiß ich über's nächste Haus, domus, was quälst Du meinen alten Vater. Maria. Peter, schlag den Schwartenmagen todt, ich mag ihn nicht mehr. Soldat. Aber Maria, wer ist denn Dein Mann, daß Du mich nicht mehr brauchst. Maria. Ja, lieber Schwartenmagen, seid ruhig und verwundert Euch nicht, es ist alles in die rechte Ordnung gekommen, ich habe in der Dunkelheit den lieben Peter gegriffen und der Prediger hat uns zusammengegeben, es ist mir auch recht lieb, denn ich war ihm von erster Jugendzeit recht gut und der alte Hanrei muß doch bald sterben, da beerben wir ihn. Soldat. Ei da muß ich mich todtlachen, statt mich todt zu ärgern. Alter Hanrei, was macht Ihr jetzt für ein Gesicht, beseht doch Eure Marie bei meiner Fackel. Hanrei. Gottes Wunder, das ist ja mein Hans, mein treuer Hans, was soll daraus werden, der ist nun meine Frau, wie soll das geschehen sein? Hans. Ja, alter Herr, ich bin nun Eure Frau, da müßt Ihr mir die Schlüssel von Küche und Keller geben, da soll's lustig werden, Juchhei, ich will Euer Haus wohl versorgen, aber treu will ich Euch sein. Lieber Mann, gebt Geld und Schlüssel her. Hanrei. Peter, lieber Peter, gieb mir einen Strick, daß ich mich aufhänge, oder hilf mir von dieser Frau, die keine Frau ist, sondern mein Hans. Peter, ich kenne den Hans, hat der die Schlüssel, so wird er nicht ruhen, so lange noch ein Tropfen im Fasse ist. Wie habe ich mich in der Dunkelheit so versehen können. Peter. Ich weiß auch nicht, wie ich zu meiner Frau, uxor, gekommen bin, es nahm mich etwas bei'ms Arm und führte mich zur Kirche, ich dachte, es sei ein Hochzeitgast, der Prediger segnete uns ein, und ich dachte immer an Eure Thorheit, Vater, daß Ihr solch junges Mädchen heirathen wolltet. Ich weiß keinen Rath, die Copulation ist geschehen. Ach Du armer Vater, daß Ihr einen Mann zur Frau habt. Hanrei. Ich weiß keinen Rath, lieber Peter, wir wollen uns todt weinen. Hans. So weiß ich einen, Ihr Narrn; unter der Bedingung, daß der Alte sich von allem Heirathen in diesem Leben losschwört, will ich mich von ihm scheiden und verlange nichts von meinem Eingebrachten, auch nichts für den Kranz als ein gutes Glas Wein. Hanrei. Ach Du guter Hans, Du kluger Hans, nimmermehr will ich wieder an's Heirathen denken, wenn man sich dabei so im Dunkeln vergreifen kann. Wir wollen wieder wie sonst leben, mein treuer Hans. Hans. Aber Eurem Sohne und seiner Frau gebt Euren Kramladen und Euren Segen, sonst bleib ich nicht. Hanrei. Ich bin so müde, kann auf meinen Beinen nicht stehen, nehmt Geld und Segen, wenn ich nur nicht den Hans zu heirathen rauche. Peter und Maria. Dank, Dank lieber Vater, pater. Soldat. Was kriege ich. Schenkt Ihr mir gar nichts? Hab' ich nicht Euer Glück gemacht? (Alle schlagen auf den Soldaten ein, schimpfen auf ihn, der Soldat flieht, es sammeln sich wieder die Hochzeitsgäste, der alte Hanrei zählt im Kreise, wie er sich vergriffen hat, Peter und Maria stehen zärtlich lächelnd in der Mitte, alles lacht.) Chor. Was sich paßt, das muß sich schicken, Was sich liebt, das muß sich finden, Süßes, freudiges Entzücken Wird die Liebenden verbinden, Und wir rufen gute Nacht! Alter, Du hast lang gewacht, Alter, Du wirst ausgelacht, Hans, gieb besser auf ihn Acht.' Quelle: Ludwig Achim von Arnim, Schaubühne Zweiter Band, Sämmtliche Werke 6, 1840, Berlin, bei Veit & Comp., Herausgegeben von Wilhelm Grimm, S. 53-88.